Sonntag, 07.12.2025

Wiesbaden debattiert: Wie Innenstädte produktiver und vielfältiger werden können

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Rund hundert Fachleute und Interessierte diskutierten am 2. Dezember im Haus der Architekten in Wiesbaden über das Leitbild der produktiven Stadt. Der DesignDialog des sam Stadtmuseum am Markt versammelte Vertreterinnen und Vertreter aus Stadtplanung, Architektur, Kultur und Forschung, um Fragen nach neuen Nutzungsformen in der Innenstadt und nach Strategien für eine resilientere Stadtentwicklung zu erörtern.

Was die produktive Stadt meint

Im Zentrum der Debatte stand die Vorstellung einer Stadt, in der Wohnen, Arbeiten und Produktion weniger strikt getrennt sind als bisher. Statt Innenstädte allein als Konsumorte zu begreifen, schlugen Fachleute vor, kleinteiliges Handwerk, urbane Landwirtschaft und andere lokale Gewerbe wieder stärker in zentrale Lagen zu integrieren. Dadurch könnten Wege kürzer, Quartiere widerstandsfähiger und die soziale Durchmischung größer werden.

Die Stadtforscherin Francesca Ferguson wies darauf hin, dass dieses Modell Antworten auf mehrere aktuelle Probleme bietet. Sie nannte den Fachkräftemangel im Handwerk, das Verschwinden von Kleinbetrieben aus Stadtzentren und die fehlende nachhaltige Lebensmittelproduktion in der Stadt. Ferguson plädierte dafür, Erdgeschosse und Innenhöfe gezielt für Kleingewerbe zu öffnen und Leerstand mit befristeten Nutzungen wie Pop up Leases zu aktivieren, um Handwerk und Kleingewerbe zurück in die Zentren zu bringen.

Folgen für Planung und Nutzung

Aus Sicht der kommunalen Planung ist die produktive Stadt ein wichtiges Orientierungsprinzip. Constanze Paffrath vom Wiesbadener Stadtplanungsamt betonte, die europäische Stadt sei die nachhaltigste Form des Zusammenlebens. Die Aufgabe bestehe darin, Strategien zu entwickeln, die ein gerechtes und nachhaltiges städtisches Leben für alle Bevölkerungsgruppen ermöglichen.

Der Architekt und Stadtforscher Philipp Krass prognostizierte, dass Handel in seiner bisherigen Rolle an Bedeutung verlieren werde, die Innenstädte aber erhalten bleiben als Orte des Austauschs und des Treffens. Bildung, Kultur und verträgliche Produktion könnten demnach Leerstellen füllen. Gleichzeitig erfordere die Anpassung an den Klimawandel Maßnahmen, die die Stadt grüner machen und das Wohnumfeld an veränderte Nutzungen anpassen.

Torsten Becker von der Architektenkammer hob hervor, dass die Neugestaltung der Innenstadt ein vernetztes Vorgehen erfordere. Gute Planung könne politische Ziele vermitteln, Akzeptanz schaffen und eine qualitätvolle gebaute Umwelt fördern. Innenstädte seien eine Gemeinschaftsaufgabe, die interdisziplinäre Zusammenarbeit voraussetze.

Veranstaltung als Plattform und Ausblick

Der DesignDialog fungierte laut den Veranstaltern als Vernetzungsplattform, auf der Fachleute und Bürgerinnen und Bürger zukunftsrelevante Fragen der Stadtentwicklung austauschten. Das sam sieht sich dabei nicht nur als Bewahrer der Vergangenheit, sondern auch als Impulsgeber für aktuelle Debatten und zukünftige Projekte. Die Direktorin des Museums kündigte an, dass der Dialog im Rahmen der World Design Capital 2026 weitergeführt wird.

Für 2026 ist geplant, das Erdgeschoss des ehemaligen Sportscheck Gebäudes in der Langgasse 5 bis 9 für mehrere Monate als einen sogenannten Vierten Ort zu nutzen. Dort sollen Projekte aus Wiesbaden und Umgebung unter dem Motto Looking forward Das Morgen gemeinsam gestalten präsentiert werden und zum Mitmachen einladen.

Das rege Interesse an der Veranstaltung zeigte, dass die produktive Stadt in Wiesbaden nicht nur ein planerisches Konzept ist, sondern ein breiteres gesellschaftliches Thema. Diskutiert wurden Perspektiven von der Nutzung von Leerstand über die Rolle des Handwerks bis hin zu klimafreundlichen Quartieren und kulturellen Angeboten, die jenseits von Konsum zur Attraktivität der Innenstadt beitragen können.

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